Kaufkraftausgleich bei grenzüberschreitenden Unterhaltsansprüchen

Kaufkraftausgleich bei grenzüberschreitenden Unterhaltsansprüchen

Die Problemstellung:

Das OLG Karlsruhe hatte sich mit dem folgenden Sachverhalt zu befassen: Der Unterhaltsschuldner lebt in der Schweiz, sein minderjähriges Kind, dem er Unterhalt zu bezahlen hat, lebt in Deutschland.

Es stellte sich aufgrund der unterschiedlichen Kaufkraft die Frage, wie zum einen die Höhe des Unterhaltsanspruchs zu ermitteln war, zum anderen musste sichergestellt sein, dass der Unterhaltsschuldner in der Schweiz noch seinen Lebensstandard sicherstellen konnte.

 

Die Entscheidung:

Mit Beschluss vom 05.08.2016 (Az. 5 UF 87/14) entschied das OLG Karlsruhe zu diesem Sachverhalt, wie folgt:

Die Höhe des Unterhalts ermittelt sich nach der Düsseldorfer Tabelle. Zur Ermittlung der Einkommensgruppe eines im Ausland, hier in der Schweiz, lebenden Unterhaltsschuldners ist zunächst die Kaufkraft des Einkommens in der Schweiz auf die Kaufkraft in Deutschland umzurechnen. Eine bloße Umrechnung der Währungen greift nach Ansicht des OLG Karlsruhe hier zu kurz. Die Währungsumrechnung sei erst nach der Kaufkraftangleichung vorzunehmen.

Anhand des kaufkraftbereinigten Einkommens hat die Eingruppierung in die Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle zu erfolgen. In diesem Punkt folgte das OLG Karlsruhe einer bereits vorgehenden Entscheidung des BGH.

Weiter ist nach Ansicht des OLG Karlsruhe zu beachten, dass der dem Unterhaltsschuldner zu verbleibende Lebensstandard zwingend zu wahren ist. Dieser Lebensstandard, der im Selbstbehalt seinen Ausdruck findet, ist unabhängig vom Wohnort des Unterhaltsschuldners. Dem Unterhaltsschuldner hat also mit dem ihm verbleibenden Einkommen unabhängig von den örtlichen Verhältnissen stets dieser Mindeststandart zu verbleiben.

Konsequenter Weise ist dann nach Ansicht der OLG Karlsruhe auch nicht lediglich – wie bisher häufig in vergleichbaren Konstellationen geschehen – der für Deutschland in den Leitlinien bestimmte Selbstbehalt in Abzug zu bringen. Vielmehr hat auch eine Kaufkraftanpassung des Selbstbehalts an die Lebensverhältnisse im Wohnsitzland des Unterhaltsschuldners zu erfolgen.

 

Fazit & Ausblick

Die Rechtsprechung des OLG Karlsruhe ist zu begrüßen, da sie konsequent den zu verbleibenden Selbstbehalt als eigenständigen Prüfungspunkt im Rahmen der Unterhaltsberechnung berücksichtigt und hierdurch die Wahrung der Mindeststandards, auch bei hohen Lebenshaltungskosten im Ausland, wahrt.

Die dem OLG Karlsruhe vorgehenden Entscheidungen haben zwar die Kaufkraftbereinigung bei der Ermittlung der Unterhaltshöhe vorgenommen. Eine Kaufkraftbereinigung des Selbstbehalts wurde allerdings regelmäßig nicht durchgeführt, was in vielen Fällen, insbesondere wenn der Unterhaltsschuldner wie im vorliegenden Fall in der Schweiz lebt, zu überhöhten Unterhaltsansprüchen und damit zu einer Verletzung des Selbstbehalts führen kann. Es dürften nach dieser Entscheidung eine Vielzahl von Entscheidungen zu überprüfen sein.

 

Der Autor Frederick Pitz, Schwetzingen, ist Fachanwalt für Familienrecht, Fachanwalt für Erbrecht und Autor in der Fachanwaltsfortbildung AnwaltZertifikatOnline