Wird wegen der Geburt eines Kindes die Erstausbildung nicht begonnen oder nicht abgeschlossen, stellt es nach einem Betreuungswechsel des Kindes kein unterhaltsrechtlich leichtfertiges Verhalten des Barunterhaltsverpflichteten dar, wenn dieser die Erstausbildung beginnt bzw. wieder aufnimmt, wenn durch die Ausbildung die Möglichkeit geschaffen wird, dass sich die Einkommenssituation des Barunterhaltspflichtigen verbessert.
Der BGH führt hierzu in seinem Urteil vom 04.05.2011 (Az. XII ZR 70/09) aus:
Gegenüber der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB muss sich der Unterhaltspflichtige grundsätzlich auf seine Erwerbsfähigkeit verweisen lassen. Eine Hinzurechnung fiktiver Erwerbseinkünfte kommt in Betracht, wenn dem Unterhaltspflichtigen im Hinblick auf seine Leistungsunfähigkeit ein unterhaltsbezogen leichtfertiges Verhalten vorgeworfen werden kann (vgl. Wendl/Dose Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis 7. Aufl. § 1 Rn. 495 ff.). Dabei tritt das Interesse eines unterhaltspflichtigen Elternteils, unter Zurückstellung bestehender Erwerbsmöglichkeiten eine Aus- oder Weiterbildung aufzunehmen, grundsätzlich hinter dem Unterhaltsinteresse seiner Kinder zurück. Das gilt vor allem dann, wenn der Unterhaltspflichtige bereits über eine Berufsausbildung verfügt und ihm die Erwerbsmöglichkeit in dem erlernten Beruf unter Berücksichtigung eines zumutbaren Ortswechsels eine ausreichende Lebensgrundlage bietet. Anders kann es hingegen sein, wenn der Unterhaltspflichtige seine Erwerbstätigkeit nicht zum Zwecke einer Zweitausbildung oder der Weiterbildung in dem erlernten Beruf, sondern zugunsten einer erstmaligen Berufsausbildung aufgegeben hat. Einer solchen Erstausbildung ist regelmäßig auch gegenüber der gesteigerten Unterhaltspflicht aus § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB der Vorrang einzuräumen. Denn die Erlangung einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf gehört zum eigenen Lebensbedarf des Unterhaltspflichtigen, den dieser grundsätzlich vorrangig befriedigen darf (Senatsurteil vom 15. Dezember 1993 – XII ZR 172/92 – FamRZ 1994, 372 Rn. 19). Insoweit sind allerdings alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Tatsache, warum der Unterhaltspflichtige gerade jetzt seine Erstausbildung durchführt und wie sich dies langfristig auf seine Leistungsfähigkeit für den Kindesunterhalt auswirkt.